Ein kleiner Junge. Ein großes Pferd. Und die Sache war klar. Die Geschichte von André Brandt gleicht einem Märchen und zeigt, dass jeder alles schaffen kann, wenn er nur den Willen hat, hart dafür zu kämpfen.
– Als ich anfing, interessierten sich meine Eltern nicht für Pferde, so der Teamreiter von Uhip.
Alles begann vor fast 20 Jahren:
Im schwedischen Ronneby findet ein Kindertag statt, wie man sich einen Kindertag eben vorstellt: Es gibt Glücksräder, Karussells und viele Mitmach-Aktionen für die Kleinen. Inmitten dieses Trubels zeigt ein fünfjähriger Junge auf ein großes Tier, das ein kleines Kind auf seinem Rücken immer rund um einen Baum trägt – der Junge hat das Ponyreiten entdeckt, eine Aktivität so klassisch wie der Kindertag.
– Das will ich auch machen! sagt er.
Der kleine André wird auf den Rücken des Ponys gesetzt und genießt jede Sekunde, und als er zu seiner Mutter Therese zurückkommt, weiß er genau, was er will.
– Mama, ich will reiten lernen!
Und das tut er dann auch: Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Kevin bekommt André Brandt Reitstunden. Wie viele andere Kinder interessieren sich die Brüder auch noch für andere Sportarten: Fußball, Hockey, und als André acht Jahre alt ist, hört er auf zu reiten. Es sind einfach zu viele Hobbys geworden, und die Eltern verlangen von ihren Zwillingen, erst einmal schwimmen zu lernen.
– Wir konnten uns nicht gegen das Schwimmen entscheiden, also habe ich mich gegen das Reiten entschieden. Mein Bruder hatte vorher schon aufgehört und ich war der einzige Junge in der Gruppe, also habe ich auch aufgehört, so André.
Heute ist er 24 Jahre alt und sitzt entspannt in einem Sessel in der Küchenzeile des Magic Park Stables in Tyringe, Skåne. Wenn André gerade nicht an nationalen oder internationalen Wettbewerben teilnimmt, verbringt er seine Zeit hier und reitet jeden Tag bis zu 15 Pferde. Er hat mehrere magische Monate hinter sich, so etwa das fehlerfreie 155er-Debüt in Scandinavium mit El Classico TT, genannt „Elvis“ – dem Starpferd, mit dem er Wochen später auch die Mannschaftswertung in Paris mit Selma Hammarström gewann.
Für André Brandt läuft es gerade richtig gut, sowohl im Leben als auch mit den Pferden, denn wie mittlerweile jeder weiß: Das Reiten hat er nicht endgültig aufgegeben, als er mit acht Jahren schwimmen lernen musste.
– Keiner meiner damaligen Freunde ist geritten, deshalb war es unmittelbar einfacher, auszusteigen. Das Reiten hat mir aber immer am meisten Spaß gemacht, und auch wenn ich nicht den Mut hatte, mich dafür einzusetzen, habe ich wieder damit angefangen. Bis zum TV-Puck im Alter von 15 Jahren habe ich Reiten und Eishockey parallel betrieben, aber irgendwann ging es einfach nicht mehr: morgens an Wettkämpfen teilnehmen, dann zum Hockeytraining und danach wieder in den Stall fahren und reiten, erzählt André Brandt.
Seit er sich voll und ganz dem Reitsport verschrieben hat, beweist er, dass Geld nicht alles ist, nicht einmal bei einer der geldintensivsten Sportarten der Welt, und man keine Millionen auf dem Konto haben muss, um als Reiter an die Spitze zu gelangen: Die Kombination aus eisernem Willen, einer guten Portion Talent und Geschicklichkeit, gewürzt mit einer Prise Glück, ist für André Brandt zum Erfolgsrezept geworden.
Bereits im Alter von 16 Jahren wurde er mit dem familieneigenen Pony, das dann verkauft wurde, Zweiter bei den Schwedischen Meisterschaften. Seine gesamte Art führt ihn zu Chancen, die er zu ergreifen weiß. Andrés Fähigkeiten und seine Bereitschaft zu trainieren verschafften ihm unter Pferdebesitzern einen Namen, und im Alter von 16 Jahren ritt er sein erstes großes Pferd, Miss Hope, begann bei einem Meter und endete mit 1,40 und einer Schwedischen Meisterschaftsmedaille in Bronze als Junior.
Während seines letzten Jahres auf dem Gymnasium trainiert André Brandt mehrere Tage in der Woche auf dem Hof Hästak außerhalb von Tingsryd.
Nach dem Abitur wird ihm eine Stelle als zweiter Reiter hinter Linn Hörnvall angeboten, und hier kommt das Quäntchen Glück ins Spiel: Er war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nach nur zwei Monaten bei Hästak erhält André die Chance, erster Reiter zu werden, denn Linn Hörvall hört auf,
und er nimmt sie an. Macht Erfolge als Reiter und hat auch das Glück, die siebenjährige Thelma Hästak zu reiten. Im Sommer 2020 verblüfften die beiden Reitsportschweden, als sie die Young-Rider-Meisterschaften in Falsterbo trotz starker Konkurrenz souverän gewannen:
– Es war absolut fantastisch. Mein erstes Schwedisches Meisterschaftsgold! Thelma war unerfahren, ich war unerfahren und wir hatten vor der Meisterschaft nur zwei 1,50 geritten, aber sie hat die Aufgabe extrem gut angenommen und blieb während der gesamten Meisterschaft fehlerfrei. Der Status ging hoch, weil die Weltmeisterschaft in Falsterbo stattfand und vielleicht einige Leute gemerkt haben, dass ich auf einem guten Weg bin, so André.
Im Frühjahr 2021 beschließt André Brandt, Hästak nach einer lehrreichen Zeit, die ihn weit gebracht hat, zu verlassen. Er möchte etwas anderes ausprobieren, hat zeitgleich aber noch einige Pferde für Royne Zetterman im Training, der André schon länger gerne mehr bei sich sehen würde. Einen Monat, nachdem André Hästak verlassen hat, ruft er Zetterman an und sagt, dass er mehr Pferde übernehmen kann, weil er gekündigt hat.
– Royne hat mir dann noch direkt am Telefon einen Job angeboten. Ich war ein bisschen geschockt und habe ihm kaum geglaubt, aber ich bin hingefahren, wir haben zwei Stunden geredet und dann war es abgemacht. Ich habe Hästak versprochen, einen letzten Job zu machen und das war die Hengstschau von Cesar Hästak und York Hästak. Cesar bestand seine Prüfung und York wurde anerkannt, und es war ein gutes Gefühl, den Hof mit einem erfolgreichen Abschluss zu verlassen. Am nächsten Tag habe ich bei Royne angefangen, berichtet André.
Der Rest ist eine Geschichte, die sehr schnell geschrieben wurde: André und der neue Star Elvis (El Classico TT) können auf einen erfolgreichen Winter und Frühling zurückblicken. Sie qualifizierten sich über Lövsta Future U25 für die Gothenburg Horse Show, und nach einem guten Warm-up von 1,45 wählte Bundestrainer Henrik Ankarcrona André und Elvis für das anstehende 1,50-Springen in der klassischen Hockeyarena aus.
– Wir blieben fehlerfrei und haben uns platziert, es war komplett unglaublich! Als ich Henrik dann fragte, ob ich auch den 1,55 Grand Prix reiten könne, sagte er: „Auf jeden Fall!“.
Und wieder bekam er die Chance, jetzt mit einem großen Teil der Weltelite als Gegner. Und wieder nahm er sie wahr. Eine Niederlage, aber sie reichte, um ihn in einem Starterfeld von Weltklassereitern zu platzieren. Henrik Ankarcrona gefiel, was er sah, und entschied sich, André Brandt zu den U25-Wettbewerben in Paris mitzunehmen.
Und was tat André?
Er nutzte seine Chance natürlich.
Ein Sieg in 1,40, eine Niederlage in 1,45 und dann gewann André gemeinsam mit Selma Hammarström den Mannschaftswettbewerb für Schweden.
– Ich hoffe, dass ich die Chance bekomme, weitere große Wettbewerbe zu reiten, so André Brandt.
Aus dem Jungen, der am Kindertag auf ein Pony zeigte, ist einer der größten kommenden Stars am schwedischen Reithimmel geworden. Es ist wie im Märchen! André Brandt ist für viele zum Vorbild geworden, und sein Rat an diejenigen, die in seine Fußstapfen treten wollen, lautet:
– Das Wichtigste ist, dass man selbst Interesse am Pferd und immer Spaß an der Sache hat. Dass man kämpft, nicht aufgibt und jede Gelegenheit zum Reiten nutzt. Man muss nicht das beste Turnierpferd haben, aber man muss im Sattel sitzen. Dort lernt man. Dort lernst du, alle Signale des Pferdes zu erkennen. Man muss eine Einheit werden mit seinem Pferd, und ein großer Vorteil für mich ist, dass ich so viele verschiedene Pferde geritten habe, sowohl hier bei Magic Park Stables als auch bei Hästak. Es geht wirklich darum, jede Gelegenheit zu nutzen, um alle verschiedenen Arten von Pferden zu reiten. Und selbst wenn du kein eigenes Pferd hast: Setz dich während einer Trainingseinheit mit in die Stunde und höre zu, wenn ein Trainer in deinen Verein kommt. Da kann man immer etwas mitnehmen.